- Offizieller Beitrag
Befehle von oben
Hauptmann Horst Weber hatte es heute eilig. Den ganzen Tag über war schon einiges schief gelaufen und nun drohte er auch noch zu spät in Aviano anzukommen und damit das letzte Briefing zu verpassen. Der Streit mit seiner Frau tat ihm jetzt im Auto leid und er hätte ihn gern noch vernünftig beigelegt. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie sich über ihr Geburtstagsgeschenk, zwei Eintrittskarten zum Grand Prix in San Marino, so überhaupt nicht freuen konnte. Und dass sie diese Karten nun für einen Bruchteil des Kaufpreises bei ebay vertickert hatte, war ja nun wirklich ein Grund, sauer zu sein. So hatte ein Wort das Andere ergeben und plötzlich war die Zeit so weit fortgeschritten, dass Weber ohne ein Wort der Entschuldigung die gemeinsame Wohnung verlassen musste, um überhaupt noch rechtzeitig zum Dienst zu kommen.
„…wegen Bauarbeiten kommt es Autobahn A28 zwischen Conegliano und Pordenone immer wieder zu kurzzeitigen Sperrungen. Wir empfehlen, die Strecke weiträumig zu umfahren…“ tönte es aus dem Radio.
„Schlauberger“, dachte Weber. „Und was macht man bitteschön, wenn man schon mittendrin steht in der Blechlawine?“ Er drückte auf die Hupe und provozierte damit ein unvergleichliches Hupkonzert seiner Leidensgenossen, die um ihn herum ebenfalls im Nieselregen Norditaliens darauf warteten, wieder fünfzig Meter nach vorne rollen zu können.
Sein Handy klingelte.
„Weber?“
„Horst, ich bin´s, Timo. Sag mal, hast Du verpennt? Wo bleibst Du denn, die sind hier schon ganz unruhig.“
Timo Schlegel, 30 Jahre, Leutnant der Bundesluftwaffe, war Webers Wizzo, sein Waffensystemoffizier. Offensichtlich war er schon in Aviano eingetroffen.
„Hör mal Timo, ich steh hier auf der 28 im Stau und es gibt kein vor und kein zurück. Wenn das so bleibt, werde ich nicht rechtzeitig auf der Base sein können.“
„Wo genau steckst Du“, erkundigte sich Schlegel.
„Kurz hinter Sacile. Gibt´s hier irgendwo ´ne schwarze Ausfahrt?“
„Warte mal, ich glaube, an der Tanke, die dann gleich kommt, kannst Du über den Mitarbeiter-Parkplatz fahren. Dann kommst du auf die Landstraße nach ´Fredda. Den Rest kennst du ja.“
„Copy!“, entgegnete Weber, „Ich gebe Gas. Sag dem Kommodore, ich geb´ an der Staffelbar einen aus, wenn ich in ´ner halben Stunde noch nicht oben in Aviano bin.“
„Den Kommodore wird das vielleicht gar nicht interessieren. Hier sind ganz hohe Tiere angekommen. Fahr trotzdem vorsichtig, Du weißt ja…“
„… ja, ja, wir fahren auf Ankommen, nicht auf Sieg. Bis gleich“. Weber legte auf, setzte den Blinker rechts und fuhr auf die Standspur. Er trat auf das Gaspedal seines BMW M3, der ihn in gut 8 Sekunden auf 160 km/h beschleunigte und raste der Raststätte entgegen.
„Haben Sie Ihren Piloten erreicht?“ fragte Kapitän zur See Hallstein den jungen Leutnant.
„Ja, alles klar. Steht im Stau und weiß jetzt, wie er da raus kommt. Ich denke in T minus 15 wird er hier sein. Ansonsten will er auf der Staffelbar einen ausgeben. Das hatten wir schon mal, vor ´nem dreiviertel Jahr in Frankfurt. Mann, war das ein Besäufnis. Am Ende standen wir mit einem Italiener in einem Irish-Pub und haben die Karaoke-Bar gerockt.“
„Sparen Sie sich die Anekdoten für später auf, Schlegel. Jetzt gibt es erstmal einen Auftrag zu erledigen. Ich hoffe, dieser Weber fährt so Auto, wie er fliegt.“
24 Minuten und 31 Sekunden später zeigte Weber seinen Truppenausweis am Südtor der Airbase Aviano.
Er erwiderte den zackigen Gruß eines US-Sergeants, der die Torwache stellte, und fuhr mit quietschenden Reifen vorbei an einigen Baseballfeldern auf den Pilotenparkplatz. Als er ausstieg, bemerkte er den Geruch von verschmortem Gummi und das knistern der Auspuffanlage.
“Es ist schon gut, wenn man auch auf dem Boden ein vernünftiges Fortbewegungsmittel hat.“, dachte sich der Tornado Pilot grinsend.
Über die Strafzettel, die er an den fest installierten Blitzanlagen kassiert hatte, würde sich erstmal seine Frau ärgern müssen. Auf die war der Bolide nämlich zugelassen.